Gedanken einer Seekuh

 

Ich schwimme hier so rum, mal nach rechts, mal nach links. Das Leben geht so dahin. Weil ich dick bin, kann mich niemand leiden. Zum Glück kann es keiner sehen, weil ich im Wasser wohne und alleine bleiben will. Wenn ich an Land gehen könnte, wäre der Meeresspiegel deutlich tiefer, die Häfen wären kilometerweit von der Küste entfernt, so dick bin ich.

Ich bin schon alt, sehr alt. Als ich noch ganz klein war, wohnte ich im Roten Meer und sah beim Pyramidenbau zu. Das war ein Rascheln hin und her. Weil das Horn von Afrika für ein Rausschwimmen zu eng war, musste ich, obwohl ich gar keine geeigneten Beine habe, über Land gehen. In der Bibel steht geschrieben, Moses teilte das Meer- so ein Quatsch, ich lag damals nur quer im Wasser und musste pubsen.  Das war so kurz nach der Jugendweihe. Ich verdrängte viel Sand und ebnete Berge ein, als ich endlich ins Mittelmeer gelangte. Ganz viele Jahre später baute ein Monsigneur de Lesseps in meiner Schleifspur den Suezkanal.

Da war ich nun im Mittelmeer, so schön ist es auch nicht gewesen. Laufend stieß ich mir den Kopf an irgendwelchen Inseln. Durch den Bosporus kam ich nicht, auch dafür war ich zu dick. So schwamm ich  eben nur rum. Ganz alleine. Weil ja die Sintflut kam, war das Mittelmeer voll Wasser und ich konnte mich im Rückenschwimmen üben. Blöd war nur, dass dann das Wasser in Gibraltar wieder raus lief und ich nicht rechtzeitig tiefes Wasser finden konnte. So lag ich ganz schön lange mit dem Bauch nach oben und habe mit den Flossen auf dem Meeresgrund gegraben. Da waren auch Menschen auf meinem Bauch und bauten Häuser und Städte. Die dachten immer wenn ich gerade gegraben habe, es sei ein Erdbeben. Eines Tages war ich dann frei und konnte weiter schwimmen. Seit dem wird Atlantis vermisst...

Bevor sich Afrika noch näher an Europa machte, schlüpfte ich wie ein fetter Aal gerade noch in den Atlantik, wobei ich dann die Canarischen Inseln erschuf, denn vorher war das Festland. Durch mich stieg aber nun der Wasserspiegel. So schwamm ich dann weiter so rum. Ganz alleine. Nur weil ich dick bin. Ich denke oft an früher, als ich noch planschen durfte. Meine Mutti hat aber dann geschimpft, weil ich immer aus dem Wasser sprang und dann wieder ins Wasser plumpste. Nur weil damals die Saurier ausgestorben sind, durfte ich nie wieder planschen gehen. Blöde Saurier, die schmeckten nicht, mit denen konnte man auch nicht spielen. Immer verschwanden die Großen beim Versteckenspielen in einer Hautfalte von mir.

Seit dem spiele ich mit mir alleine und am liebsten kratze ich mich am Festland. Das schuppert so schön am Rücken. Hmmmhh. Nicht so schön ist, dass sich dadurch immer die Kontinente verschieben. Immer wird es irgendwo enger...

Es ist gar nicht so lange her, da hatte ich mal einen Pickel auf der Stirn, ich komme also langsam in die Pubertät. Weil ich so rumgeschwommen bin, war ich müde und der weiße Pickel ragte durch die Wasseroberfläche. Wieso musste da gerade die Titanic angefahren kommen?

Für meine Körpermaße habe ich kleine Füße und Ohren, die sind richtig niedlich. Leider kann sie hier im Wasser niemand sehen, außerdem will ich ja alleine bleiben und nur so rumschwimmen. Mal geradeaus, mal zurück. Nur planschen darf ich nicht mehr, hat ja meine Mutti verboten. Und rülpsen darf ich auch nicht mehr, hat mein Vati gesagt, denn es gibt dann immer die Tsunamies.

So bleibe ich also alleine und schwimme hier so rum. Vielleicht kommt ja mal jemand, der mich versteht. Schnief.
Schnief. Ich darf noch nicht einmal weinen, denn dann ist ganz Holland unter Wasser, nur von einer Träne.

Bis bald also- die alleinbleibenwollende Seekuh